Archiv für den Monat März 2021

„Wie macht Ihr das bloß!?“

Eine typische Situation: wir lernen jemanden kennen, man hält Smalltalk, das Thema „Kind mit Behinderung“ kommt zwangsläufig irgendwann zur Sprache (wenn es nicht sogar der Gesprächsaufhänger war), wird mirnichtsdirnichts zum zentralen Thema, das Gegenüber bekommt immer größere Augen wenn ich geduldig Fragen zu unserem Alltag beantworte und früher oder später platzt es heraus:

WIE MACHT IHR DAS EIGENTLICH!?

Die Intention kann verschieden sein: zweifelnd („also ich könnte das nicht!“) oder auch interessiert, staunend („Erzähl mal, wie kriegt Ihr das so hin?“). Eine Frage, die sich werdende oder bereits praktizierende Eltern eines behinderten Kindes am Anfang auch stellen. Vielleicht hast Du gerade eine Diagnose für Dein noch ungeborenes oder Dein schon seit einiger Zeit lebenden Kindes bekommen. Und Du fragst Dich: Wie soll ich das schaffen?

Ausgehend von all diesen Fragen möchte ich Euch mitnehmen in eine Themenreihe mit Beispielen und Anregungen, wie man eine hohe Lebensqualität (auch mit Bonus-Herausforderungen!) lebt. Ich werde es unterteilen in die Bereiche:

  1. Einstellung, Haltung
  2. Ressourcen im persönlichen Umfeld
  3. Gesellschaftliche Ressourcen
  4. Individuelle Ressourcen

Seid gespannt, nächste Woche geht es um die Einstellungen und die Haltung!

Konfirmandenunterricht, ganz inklusiv

In der Schule geht es gerade um die Weltreligionen. Judith wurde gebeten, ihren Konfirmandenunterricht vorzustellen. Wir haben versucht, die Vorstellung verständlich für alle zu schreiben. Hier kommt der Text. Ihr könnt auch das PDF mit Fotos öffnen. Wenn Ihr es für eigene Zwecke weiter verwenden wollt könnt Ihr das gerne nach vorheriger Rücksprache mit mir (dasbewegteleben [at] gmx.de) tun.

Meine Kirche heißt: Michaeliskirche.
Früher war ich im Kindergottesdienst.
Da habe ich viele Geschichten aus der Bibel
gehört.
Aber jetzt bin ich schon zu alt für den
Kindergottesdienst.
Jugendliche gehen nicht mehr zum
Kindergottesdienst.
Jugendliche gehen zum Konfirmanden-
Unterricht.
Wenn sie das möchten. Ich möchte das.
Ich erzähle Euch was das bedeutet.
Konfirmanden-Unterricht ist ein langes Wort.
Deswegen sagen wir: Konfi.
Der Konfi ist immer am Montag.
Ich treffe andere Jugendliche.
Sie sind ungefähr 12 Jahre alt.
Herr Günther ist der Chef im Konfi.
Er ist auch der Chef von der Michaeliskirche.
Ein Chef von einer Kirche heißt: Pastor. Er kennt sich gut in der Bibel aus.
Herr Günther erklärt uns Kirchensachen.
Er spricht mit uns über den christlichen Glauben.
Er stellt uns Fragen. Und er singt mit uns.
Wir sollen uns eine Meinung bilden. Wir überlegen:
woran glaube ich?
Was ist mir wichtig?
Was verstehe ich nicht von Gott? Zusammen sprechen wir über die Antworten. Für die Antworten nehme ich mir viel Zeit.
Deshalb schickt mir Herr Günther vorher eine E-Mail.
In der E-Mail stehen die Fragen.
In Ruhe überlege ich mir eine Antwort.
In der Konfistunde sitzt Julia neben mir.
Sie ist meine Assistentin. Julia passt gut auf.
Manchmal sage ich auf meine Weise: ja. Nicht alle Jugendlichen haben das
gemerkt.
Deshalb sagt Julia dann: Judith hat ja gesagt.
Mit meinem Talker kann ich auch gut mitreden.
Ich schaue ein Feld an. Der Talker sagt was auf dem Feld steht.
Und: Alle Jugendlichen haben eine Mappe.
In ihrer Mappe sind Karten.
Darauf steht „ja“ oder „nein“.
Manchmal möchte mir jemand eine Frage stellen.
Oder der Pastor stellt mir eine Frage.
Und er hält mir beide Karten hin.
Ich schaue dann entweder zu ja. Oder ich schaue zu nein.
Dann weiß jeder Bescheid.
Wenn wir eine Gruppenarbeit machen fragen die anderen: „Judith, sollen wir das so machen?“
Ich sage dann „ja“ oder „nein“.
Manchmal bin ich etwas frech.
Dann sage ich mit Absicht etwas Falsches.
Und ich grinse. Die anderen grinsen auch.
Aber meistens antworte ich ehrlich.
Wir treffen wir uns jeden Montag im Gemeinde-Haus.
Und manchmal machen wir Online-Konfi.
Dann bin ich mit Julia zu Hause.
Im Internet sehen wir alle Konfis.
Zum Schluss von der Konfi-Stunde gibt es einen
Segen.
Segen bedeutet: Gott ist bei uns.
Den Segen sprechen alle gemeinsam.
Wir lernen fast zwei Jahre zusammen.
Dann können alle aus der Gruppe entscheiden:
will ich an Gott glauben?
Ist Jesus mein Freund?
Ich muss mich dann entscheiden.
Mit allen Konfis feiern wir einen Fest-Gottesdienst.
Dieser Gottesdienst heißt „Konfirmation“.
Herr Günther fragt mich bei der Konfirmation: glaubst Du an Gott?
Wir bekommen wieder einen Segen.
Das ist ein ganz wichtiger Tag für uns Christen.
Danach gibt es eine Feier.
Ich werde alle Lieblings-Menschen dazu einladen.