Dieser Beitrag ist der letzte Teil der kleinen Reihe „Wie macht ihr das bloß!?„; Strategien für längere Krankenhausaufenthalte.
So, nun ist diese Reihe „Möglichkeiten, einen (un-)geplanten Krankenhausaufenthalt des Kindes zu bewältigen“ auch schon fast zu Ende. Abschliessend möchte ich noch ein paar Worte zu den Menschen um die Familie herum sagen.
Hier geht es zum einen um das Fachpersonal in der Klinik, zum anderen aber auch um Euch: Ihr Freunde, Bekannte, Verwandte, Nachbarn. Es gibt einige Dinge, die jeder tun kann, um es der Familie etwas leichter ums Herz zu machen!
Fachleute:
- Fachleute entlasten schon ganz viel, wenn sie sich auf die Familie einlassen. Eltern handeln in dieser Situation nicht immer rational, logisch oder sympathisch. Sorry. Wir sind in einer Ausnahmesituation. Im Alltag sind wir alle ganz umgänglich und nett, ehrlich. Auch im Krankenhaus können wir unsere nette Seite besser zeigen, wenn es auf Gegenseitigkeit beruht. Ja, Ihr habt Stress, ja, Kinder und Eltern können nerven. Keine Frage. Aber tatsächlich finden es alle Familien hilfreich, wenn ihnen mit einem Mindestmaß an Freundlichkeit begegnet wird!
- Versucht, Euch in die Eltern und Kinder hineinzuversetzen: Wie würde es Euch ergehen wenn Ihr in der Situation wärt? Zeigt gerne Verständnis. Unvergessen ist zum Beispiel die Pflegekraft, die in einer sehr schweren Krise einfach mal ihre Hand kurz auf meine Schulter gelegt hat und sagte „Das tut mir sehr leid für sie.“ Oder der Arzt, der nach Worten rang und letztendlich sagte: „Ich habe jetzt Feierabend. Aber Sie sollen wissen, dass meine Gedanken weiter bei Ihnen sind. Ich wünsche Ihnen alles Gute.“ Die beiden haben sich keinen Zacken aus der Krone gebrochen, mir als Mutter haben diese kurzen Worte jedoch viel bedeutet. Auch ein „hallo“ beim Betreten des Zimmers zeugt von einem Mindestmaß an Respekt (Anklopfen vor Betreten des Zimmers ist in fast jedem Krankenhaus mittlerweile komplett aus der Mode gekommen :-/).
- „Machen sie auch mal was für sich, sie müssen auch mal an sich denken“ ist ein guter Spruch für Leute mit viel Freizeit in einem Wellness-Hotel. In einem Krankenhaus gegenüber Eltern in einer Ausnahmesituation ist er absolut fehl am Platz. Natürlich merke und weiß ich, dass meine Bedürfnisse grade völlig hinten an stehen, aber so ist es nun mal grade! Ich nehme mir meine kleinen Freiheiten (siehe letzter Beitrag) und schaue, wo ich auf mich gucken kann. Und groß bin ich auch schon 😉 , und kann nach mir selber sehen. Wenn also jemand zu mir sagt „denken sie auch mal an sich“, empfinde ich das nicht als hilfreich, sondern als übergriffig. Es ist eine leere Wortphrase, die nicht sonderlich konstruktiv ist. Ich verstehe den Wunsch aus dem heraus das zu mir gesagt wird; hilfreicher wäre zum Beispiel „wir müssen gleich einen Eingriff/Übergabe/… im Zimmer machen, da würde ich sie bitten raus zu gehen. Ich passe gut auf ihr Kind auf, Sie könnten also gerne auch eine halbe Stunde länger weg bleiben, vielleicht gibt es hier ja in der Nähe etwas, das sie etwas ablenkt?“
- Erklärt, was gerade passiert. Auch wenn Eltern scheinbar versiert oder abgeklärt sind. Wir verstehen nicht alles was gerade passiert. Also berichtet, wie ihr die Gesamtsituation, den Verlauf einschätzt. Ein kleiner Hinweis, was das jetzt für ein neues Medikament ist oder warum etwas angepasst wird, schafft Sicherheit.
- Auch gegenüber dem Kind. Natürlich erzählen auch wir Eltern dem Kind was gerade los ist oder sich zu Hause ändert, aber wenn Fachpersonal das dem Kind mitkommuniziert kann es das alles besser nachvollziehen was mit ihm gerade los ist.
- Bitte, redet mit den Kindern. Gerade nichtsprechende Kinder (sehr kleine Kinder oder Kinder/Jugendliche mit einer Behinderung) werden manchmal wortlos oder auch sehr wortkarg gepflegt. Für die Kinder ist es schwer, alles einzuordnen. Ein kurzer Hinweis „ich mache jetzt…“ schafft Vertrauen und Sicherheit.
- Findet kurze, kindgerechte Erklärungen und vermeidet brachiale Ausdrücke wie:
> Wir müssen eine Tropf stechen
> Ich klau Dir mal Blut
> Wir legen dich jetzt ins Koma
sagt lieber (Das sind jetzt Beispiele für jüngere Kinder):
> Wir brauchen eine Leitung fürs Zauberwasser, das hilft dir, gesund zu werden. Da hab ich hier eine kleine Mücke, kann sein dass die kurz piekt, aber danach hast Du eine coole Tankstelle an der Hand. Das hat nicht jeder.
> Ich muss einmal was an Deiner Tankstelle zapfen. Das tut dir aber nicht weh. Ich fummel da nur etwas rum.
> Wir wollen etwas untersuchen. Damit wir dich damit nicht nerven, bekommst du ein Medikament und Du kannst das verschlafen
- Stimmt Euch untereinander ab, über den Rufnamen, die Geschichte und Diagnosen. Nichts ist für Eltern nerviger, als wenn jede*r (wirklich jede*r!) in seiner Schicht erneut fragt „Was ist der Rufname?“ oder „Wie war die Schwangerschaft?“ (gerne auch nach 14 Jahren noch… Leute, schaut einfach in die Akte, da steht das drin. Da ändert sich auch nichts mehr dran, ehrlich) oder „Mit wieviel Jahren war…?“ „ist sie ihr einziges Kind?“
All das könnte eine Person erfragen, dokumentieren und alle anderen lesen es einfach nach. Manche Eltern schweigen tatsächlich auch mal ganz gerne und wollen nicht mit jeder Person die Lebensgeschichte bequatschen…
So, und was könnt Ihr, liebe Leser*innen dieses Blogs, tun wenn Ihr eine Familie kennt, dessen Kind häufiger geplant oder akut lange im Krankenhaus sein muss?
Eine Menge!
- Fragt nach, wie es geht. Jede Familie hat etwas andere Kommunikationswege. Ich zum Beispiel verschicke regelmäßig „Sammel-SMS“, jede/r der/die mag, kann in den Verteiler aufgenommen werden. Das ist dann für mich ein Klick und alle sind auf dem gleichen Stand. Manche antworten dann mit warmen Worten, andere schreiben „Ich weiß gar nicht was ich schreiben soll“. Alles ist ok. Jede Reaktion ist besser als keine.
Wir freuen uns ebenso über Postkarten im Briefkasten wenn wir von einem langen Klinikaufenthalt nach Hause kommen. Durchhalte-Päckchen sind übrigens die Krönung!
- Überlegt, wie Ihr konkret Hilfe anbieten könnt. Fragt nach. Je konkreter, desto besser. Ein „Sag Bescheid wenn ich was für Euch tun kann“ ist nett gemeint, aber manchmal fehlt mir die Kraft, mir dann dafür noch etwas auszudenken.
Unvergessen hingegen ist die Freundin die sagte „Ich möchte gerne für Euch kochen wenn das recht ist. Wann würde es passen und ist […] ok?“
Es gab weitere Aktionen, die unvergessen sind: Der Obstsalat inklusive Gabel, den ich überraschend im Krankenhaus von einer lieben Person überreicht bekam. Die Freundin, die sich mittags mit mir im Klinikgarten traf und Pizza mitbrachte. Unsere Hauswirtschafterin, die fragte, ob es uns hilft, wenn sie tagsüber die Wäsche auf- und abhängt. Meine Mutter, die sich spontan in den Zug setzt und im Haushalt unterstützt. Judiths Assistentin, die ins Krankenhaus kommt und auch schwere Dinge mit Judith besprechen kann.
Solche Dinge.
Damit ist diese kleine Mini-Reihe auch schon beendet. Über Ergänzungen als Kommentar oder Mail freue ich mich sehr. Ich hoffe, es waren für den einen oder anderen ein paar Inspirationen dabei.