Archiv für den Monat November 2017

Mit Beatmung auf Reisen

Unsere Tochter braucht nachts eine Beatmung. Folglich begleitet uns das Beatmungsgerät wo auch immer sie schläft. Im Krankenhaus oder Kinderhospiz gibt es meist einen Beistelltisch. Der entfällt leider, wenn wir privat unterwegs sind. 

Aber das Gerät muss gerade stehen (auch wegen des wassergefüllten Befeuchters) und da wäre eine wackelige Matratze ungünstig. Es darf nicht runterfallen und Judith sollte möglichst auch nicht dran kommen da sie sonst ggf. Knöpfe drückt. 

Daher hat sich unsere Kisten-Lösung bewährt:

„Kann sie sprechen?“ Der Weg zur unterstützten Kommunikation

Diese Frage wird uns recht häufig gestellt wenn wir neue Menschen kennen lernen. Hierauf gibt es eine einfache Antwort: Nein, Worte kann sie nicht sprechen.
Auf Kinder übt diese Tatsache oft eine Faszination aus. Wie kann das sein!?
Der 13- jährige Sohn von Freunden fragte beim Picknick auf der Wiese frei heraus:
„ist Judith stumm?“
Mit diesen Worten wurde mir die Frage hingegen zum ersten Mal gestellt hat mich sehr zum Nachdenken gebracht.

Daher nehme ich sie zum Anlass, Euch mal von Judiths Wegen und Möglichkeiten, sich der Umwelt mitzuteilen, zu berichten (Achtung, sehr lang!).

Im ersten Lebensjahr entwickelte Judith einige Laute: „mamama, papapa, dadada“. Diese setzte sie jedoch nie gezielt ein und wir fragten die Frühförderung ob sie Ideen hätte, Judiths Sprachentwicklung zu fördern. Ja, hätte sie, und holte den GuK-Kasten raus. Das ist ein System, das die Lautsprache durch einfache Gebärden unterstützt. Also: ein Kind, das (noch) nicht sprechen kann und etwas trinken möchte, macht die Gebärde für trinken und man weiß, dass das Kind nun trinken möchte. Über die Gebärden sollen die Kinder zur Sprache kommen.
Frühförderin nr. 1 hielt es für eine gute Idee, unserem inzwischen deutlich entwicklungsverzögertem Kind zunächst nur drei Gebärden anzubieten: Huhn, Elefant, Maus. Sie übte ein halbes Jahr immer wieder diese Gebärden, zeigte Bilder, Schleichtiere, setzte sich vor Judith, führte ihre Hand,…
und was passierte? Nichts.
Zum einen waren die Gebärden motorisch zu komplex, zum anderen war sie mit ihren damals zwei Jahren angesichts der desolaten Gesundheitssituation noch nie auch nur in die Nähe eines dieser drei Tiere gekommen. 

Und nun? Kam Frühförderin nr.  2 in ihr Leben. Diese arbeitete zunächst an der visuellen Aufmerksamkeit. Denn nur wer hinguckt, kann sich auch was abgucken, logisch. Sie übte das Prinzip Ursache-Wirkung, elementare Voraussetzung für Interaktion. Sie sensibilisierte uns für Kommunikationsanlässe bei Judith. So beobachteten wir, dass Judith beim Trinken oft gleichzeitig mit der flachen Hand auf den Tisch schlug. Das übernahmen wir: jedes mal wenn sie trank, kommentierten wir es mit zwei Schlägen auf den Tisch.
Nach einiger Zeit forderte sich Judith über die Gebärde „zwei mal auf den Tisch klopfen“ Trinken ein. Etwas unkonventionell und in keiner Gebärdensammlung zu finden, aber wir hatten unsere erste Gebärde und unser Kind begann, uns etwas mitteilen zu wollen. Ein guter Anfang!

Kurz darauf berichtete eine der Nachtschwestern, dass Judith wenn sie nachts wach werde, ihre Hand durchs Bettgitter stecke. Sie streichele die Hand daraufhin. Schon bald perfektionierte Judith ihren „streichel-mich-mal-Wunsch“:  wenn sie im Bett lag, klappte sie ihre Hand hoch und jeder Eingeweihte wusste: sie möchte jetzt gestreichelt werden.

Im Bezug auf vorübergehende Hilfsmittel lernten wir, ihren Handlungen zu vertrauen. So braucht sie im Infektfall bis heute häufig Sauerstoff über eine Nasenbrille. Diese lässt sie auch bereitwillig drin. Wenn es ihr besser geht, zieht sie sich die Sauerstoff-Brille von der Nase. Und tatsächlich: kurz darauf ist die Sättigung auch ohne Sauerstoff wieder stabil.
Gleiches galt bei Nahrungssonden: diese hat Judith so lange drin gelassen wie sie nötig war. Wenn sie sie rausgezogen hat konnten wir sicher sein: jetzt geht es bergauf und sie wird wieder selber essen.

BIGmackNun wurde der erste BigMack verordnet. Hiermit konnte Judith zum Beispiel im Kindergarten im Morgenkreis mit-reden.

Wir zogen um und sie wechselte den Kindergarten. Ihre neue Erzieherin schlug vor, zusätzlich die Metacom-Symbole einzuführen. Als sie meinte, nun würde Judith fünf Tiere sicher dem Symbol zuordnen können begannen wir, die Symbole auch zu Hause im Alltag verstärkt einzusetzen. So hat Judith einen Tagesplan, auf dem wir anhand der Symbole zeigen, was ansteht. Teilweise ist ihre Anteilnahme sehr gut spürbar, manchmal scheinen die einlaminierten Karten auch eher Spielobjekt zu sein. Wir bleiben dran.

Wie können wir bei ihr Interessen erkennen? Hierzu gehört viel Beobachtungsgabe. Irgendwann fiel mir z. B. auf, dass Judith am Anfang eines neuen Monats sehr lange auf das neue Bild schaute. Ok, somit kam ein Metacom-Symbol für „neuer Monat“ dazu und wir hängten mehr Kalender auf. Nun ist sie schon ganz aufgeregt wenn sie das Symbol eines neuen Monats sieht und das Kalenderblatt-umblättern wird zelebriert. Wenn sie beim Vorbeifahren im Flur intensiver auf den Kalender schaut halten wir an und sie kann sich das Bild eine Weile ansehen.

Überhaupt sagt der Blick schon viel aus: wer sie kennt, erkennt Angespanntheit, Schmerz oder Müdigkeit nur anhand des Gesichtsausdrucks.

Müdigkeit zeigt Judith auch mit dem klassischen „ich-bin-müde“- Zeichen: sie reibt sich die Augen.

Anhand der Intensität des Lächelns kann man auch als Außenstehender den Grad der Begeisterung ablesen: es geht von einem zarten Lächeln bis hin zu fröhlichstem Strahlen. Vor Freude quietschen ist die höchste Stufe der Freude und wird passend zur Situationeingesetzt.

Auch über die Atmung kann man kommunizieren: bei mittelgradiger Genervtheit atmet sie schwer, bei totaler Entspanntheit langsam und tief. 

Recht früh etablierte sie das „theatralische Seufzen“. Wenn sie etwas Anstrengendes geschafft hat, genervt ist, etwas aus tiefstem Herzen bestätigt oder erleichtert ist, stößt sie einen herzhaften Seufzer aus.
Beispiel: Ich habe sie für einige Zeit zur Entlastungspflege ins Kinderhospiz gebracht. Das kennt Judith. Sie geht gerne hin und fühlt sich dort sehr wohl. Ich weiß das und trotzdem fiel mir der Abschied schwer. Ihre ehrenamtliche Hospizhelferin war auch mit da und so saßen und saßen wir dort und ich konnte und konnte mich doch nicht trennen. Judith sah man die Genervtheit förmlich an, sie wurde immer unruhiger. Ihre Hospizhelferin sprach aus was sie gedacht haben muss: „Boah Mama… jetzt geht schon endlich. Du nervst!“ Judith strahlte sie an, seufzte erleichtert und nickte 🙂

Auch andere Gesten nutzt sie zur Verständigung: Kopfnicken und Kopfschütteln erfolgen immer zielgerichteter. Diese Ja/Nein-Abfrage hilft uns oft sehr weiter, so habe ich neulich erfahren, dass  sie auf der linken Seite Zahnschmerzen hat. Das war schon ziemlich präzise. Wenn sie gut drauf ist erfährt man auf diese Weise auch, ob es ihr in der Schule gefallen hat, ob sie eine Runde schlafen möchte, ob sie lieber in den Innowalk möchte oder auf dem Fußboden spielen. Im Vertrauen „erzählt“ sie uns auch manchmal wen sie mag und wen nicht und welcher Besuch noch mal wiederkommen soll.

Eine wichtige Kommunikations-Geste ist für sie auch das Hände-wedeln. Dies setzt sie ein um Überforderung anzuzeigen, aber auch überbändige Freude, je nach Situation.

Weiterhin nutzt sie Gesten zur Sympathiebekundung. Es ist schon ein echtes Highlight, morgens ins Kinderzimmer zu kommen und mit Applaus begrüßt zu werden. Oder beim Essen-reichen gestreichelt zu werden. 

Neben den doch sehr individuellen Gebärden gibt es auch eine ganz klassische: das zeigen. Hält man Judith zwei Dinge zur Auswahl hin, entscheidet sie sich immer öfter zielgerichtet für eines. So kann sie selber bestimmen, welchen Aufstrich sie aufs Brot möchte, mit welchem Spielzeug sie spielen möchte oder was sie anziehen möchte. Leider neigt sie nach wie vor dazu nach rechts zu greifen, daher machen wir immer die Gegenprobe und vertauschen die Auswahlgegenstände.
Über das Zeigen kann Judith auch ansonsten gut mitteilen, was sie aus dem Umkreis von 1 m haben möchte.
Alternativ nimmt sie es sich einfach, so kann sie inzwischen beim Essen selber bestimmen, in welcher Reihenfolge sie essen möchte: alles ist in Greif-Nähe und sie bedient sich einfach selber.

Wenn etwas weiter weg ist, nutzt sie einen „theatralischen Wutanfall“.
Beispiel: Mein Mann ging an den Kühlschrank als Judith schon fast mit dem Essen fertig war. Sie schmiss sich daraufhin im Stuhl nach vorne und nach hinten und setzte ihr Wehklagen an als Zeichen, wir sollen ihr jetzt mal Beachtung schenken. Er fragte sie, ob sie noch etwas essen wolle: sie nickte. Dann zeigte er ihr einen Joghurt. „Möchtest Du noch einen Joghurt?“ Begeisterung. OK, alles klar, dann gibt es noch einen Joghurt, danke für die Info.

Langfristig wäre unser Ziel, dass sie sich noch mehr über Symbole verständigen kann. Das hat den Vorteil, dass sie auch Dinge äußern kann, die nicht in ihrem unmittelbaren Umfeld sind. Zur Zeit übt sie, Gegenstände Symbolen zuzuordnen und Symbole auf dem ipad anzuklicken. Das ist sicher noch ausbaufähig. Weiterhin hat sie einen Step-by-Step, der ist dem BigMack ähnlich, allerdings kann er mehrere Botschaften hintereinander wieder geben. Judith kann so kleine Geschichten erzählen oder Gedichte hören.

Ihre Lautsprache hat sich übrigens gar nicht weiter entwickelt. Ab und zu kommt noch ein „mama“, aber das ist nach wie vor nicht zielgerichtet. Dafür hat sie die Buchstaben „h“ und „m“ in ihr Kommunikationsrepertoire aufgenommen. Ihr glaubt nicht, wie viel man nur mit „h“ in unterschiedlichen Tonlagen sagen kann: Erstaunen, Ablehnung, Freude, Zurkenntnisnahme, …

Ein paar dieser Dinge erzählte ich auch dem Jungen, der mir die Eingangsfrage stellte. Er nahm sich derweil aus dem Picknickkorb eine Schokolade und gab mir auch etwas. Gleichzeitig fragte er: „Mag Judith eigentlich Schokolade?“ Bevor ich antworten konnte, ging ihr Mund sperrangelweit auf. Sie „schnappte“ förmlich nach der Schokolade. Kaum war die Schokolade im Mund, stieß sie ein wohliges „mhhhh“ aus und lächelte selig. Die Frage hatte sie damit selbst beantwortet.

Katheter Hollister VaPro Plus pocket

Ich stellte bereits den VaPro pocket-Katheter vor, hier kommt nun der „große Bruder“ mit integriertem Urinauffangbeutel. 


Die Verpackung ist etwas größer als ein Smartphone und sieht recht gefällig aus. 

Sie lässt sich noch leichter öffnen, da sie ein Griffloch hat:


Dann kann man den Katheter samt Beutel entnehmen. Das Entfalten des Beutels ist etwas Fummelei:


Der Beutel fasst 1000 ml. Man kann ihn an einer vorgegebenen Stelle aufreissen:


Nun zu den Vor- und Nachteilen:

+ alle Vorteile des VaPro pockets bleiben bestehen

+ Beutelfolie ist klar, dadurch kann man gut den Zustand des Urins beurteilen

+ Katheter hat einen Rücklauf-Stop, was rausgelaufen ist, kann nicht mehr zurückfliessen!

– das auffalten des Beutels ist etwas umständlich

– für Kinder ist der Beutel viel zu groß, 600 ml wären vollkommen ausreichend

– Beutel lässt sich nicht soo gut aufreissen, die Entleerung ist dadurch etwas erschwert

Trotz aller möglichen Kritik haben wir noch keinen Katheter gefunden, der an diesen für unsere Bedürfnisse heranreicht. Für unterwegs oder in der Schule ist er ideal. Schön wäre es, wenn die Skala auf dem Beutel künftig genauer aufgeteilt wäre, dann könnte man die Urinmenge noch genauer erfassen.