Archiv für den Monat März 2023

Sanierung eines Rollfiets der 1. Generation

Nun war es soweit: Judith hat ihre prognostizierte Endgröße von 1,50 m locker geknackt und wächst und wächst. Das ist schön, jedoch wurde der Fahrradanhänger, den wir noch gar nicht sooo lange hatten, zu klein!

Ein größerer hätte nicht mehr in den Aufzug gepasst, zudem war uns lieber, sie mehr im Blick zu haben. Ein glücklicher Zufall war es da, dass eine befreundete Familie ihr altes Rollfiets verkaufen wollte.

Bildbeschreibung: altes Rollfiets von oben, neue Reifen und Zubehör liegt davor

Also verkauften wir den Josi Wismi und investierten das Geld aus dem Verkauf ins Rollfiets und die Sanierung, der Rest ging ans Kinderhospiz Bärenherz (Vielleicht kann man auch Restaurierung sagen, denn es hat wirklich viel „Retro-Charme“…).

Nur wohin gehen?

Aussage im Fahrradladen: „puh, nee, sorry, aber da hängt ja ein Rollstuhl dran.“

Aussage im Sanitätshaus: „puh, nee, sorry, aber da hängt ja ein Fahrrad dran.“

Also ab zum Lastenradladen.

Dort: „Cool!!So ein altes Rollstuhlrad haben wir ja noch nie gesehen. Klar machen wir dir das wieder fit!“

(Unbezahlte Werbung: bei „Rad3“ gibt es auch eine Auswahl an neuen Rollfiets und Rollstuhltransporträdern, sowohl zum Kauf als auch zum ausleihen!).

Eine Motor-Nachrüstung war leider nicht realisierbar. Dafür kam ein neues Laufrad mit neuer Gangschaltung dran. Denn die Schaltung war äußerst unpraktisch angebracht.

Bildbeschreibung: Rollfiets, die Gangschaltung ist unterhalb des Sattels angebracht
Bildbeschreibung: Schiebegriff eines Rollfiets-Rollstuhls, darsn ein Extender-Anbau, an dem eine neue Gangschaltung befestigt ist

Nun ist sie am Lenker. Mithilfe eines Lenker-Extenders kann sie bei abgekoppeltem Rollstuhl abgeschraubt werden. Weiterhin wurden alle Reifen erneuert. Der Autofolierer eine Tür weiter machte ne schicke Folie auf die Speichenschutze.

Bildbeschreibung: Rollfiets-Rollstuhl von der Seite, am Rad ist ein knall-orangener Speichenschutz

Um den Lenker kam Lenkerband. Auf die Sitzschale können wir die Polster vom Therapiestuhl machen und Judith sitzt nun super stabil. Selbstverständlich wurden alle Schrauben wieder ordentlich angezogen, die Bremszüge getauscht und eine neue Beleuchtung angebracht. Um die Kette kam ein Chainsafer.

Bildbeschreibung: Fahrradkette mit einer flexiblen Rohrumhüllung

Den Rucksack mit Nahrungspumpe hängen wir mit einem Haken unter den Rollstuhl, die Notfalltasche passt auf den Gepäckträger. Alles in allem ist das Rad nun wieder so fit, dass wir es für unsere Zwecke (mal in den Garten fahren, kleine Touren durch die Stadt, Besorgungsfahrten,…) gut nutzen können.

Bildbeschreibung: ein Mann mit roter Jacke auf einem Rollfiets von hinten fotografiert. Auf dem Gepäckträger ist eine blaue Notfalltasche.

Wenn Ihr uns also mal durch Leipzig schleichen seht, winkt uns freundlich 🙂

Bildbeschreibung: Steckachse eines Rollfiets-Rollstuhls
Bildbeschreibung: Rollfiets im Lastenradladen, noch ohne Polster und Speichenschutz
Bildbeschreibung: „vorher- Bild“ des Rollfiets von hinten mit noch altem Laufrad, das Schutzblech ist lose

8 Jahre „das bewegte Leben“… quo vadis?

„Glückwunsch zum Jahrestag mit WordPress.com“ leuchtet es mir entgegen, als ich in diesen Tagen die App zum Bloggen öffne.

Seit nun acht Jahren also blogge ich hier lösungsorientiert, wie der Alltag mit einem Kind (inzwischen einer Jugendlichen aber eben für immer mein Kind) mit komplexer Behinderung läuft. Acht Jahre, in denen eine Menge passiert ist. Sehr viel. In diesem Beitrag möchte ich Euch an meinen Gedanken zum Blog und er Zukunft teilhaben lassen.

Mittlerweile ist der Blog bekannter geworden:
-> Ich bin in einer Onlinerunde von mir unbekannten Eltern von Kindern mit Behinderung, stelle mich mit Namen vor und garantiert ruft irgendwer: „Ach, DU bist das!“.
-> Nicht selten suche ich im Internet eine Lösung und was wird mir vorgeschlagen? Einer meiner Blogbeiträge.
-> Eine neue Ärztin schaute eine von mir erstellte Tabelle an und sagte „dieses Gestaltungsformat kenne ich doch… ach Moment… haben Sie einen Blog? Den kenne ich!“  
-> Über die Jahre haben sich hierüber Engagements ergeben, sei es Vorträge und Workshop bei der Stifung Leben pur, Johannesdiakonie Mosbach oder Seminare in verschiedenen Universitäten.
– Eltern kontaktieren mich bei konkreten Fragestellungen oder schicken mir Fotos von ihren Lösungen, aus denen sich manchmal dann sogar ein Gastbeitrag entwickelt.

Bisher war das Bloggen ein reines „Privatvergnügen“ von mir.
Perspektivisch werde ich meinen Lesern anbieten, bei Gefallen einen kleinen Obulus per Paypal als Dankeschön zu geben. Der Blog wird aber weiterhin kostenfrei bleiben, die Inhalte bleiben für alle zugänglich.
Nach wie vor werde ich Beiträge aus den verschiedenen Bereichen des Lebens posten, über die Jahre hat sich aber schon neben allen möglichen Themen eines meiner Lieblingsthemen abgezeichnet: das (adaptierte) Spielzeug. Insbesondere die Spielbretter finden in der Community großen Anklang.

Und manchmal kommt ja eins zum anderen…

So traf es sich, dass unser Alltag durch glückliche Umstände aktuell in -für unsere Verhältnisse- relativ ruhigen Fahrwassern verläuft. Und ich mir dachte: gerne würde ich meine Erfahrung als Erzieherin, Heilpädagogin und Spielbrettbauerin kombinieren und die Spielbretter auch für andere Menschen bauen. Die Spielbretter sollen raus in die Welt.
Gesagt getan: ich habe ein Gewerbe angemeldet, beim Finanzamt alles geklärt, Konzept geschrieben, Werkstatt eingerichtet, einen Fragebogen zu Spielkompetenzen und -Interessen entwickelt, Spielbretter für Probanden gebaut, fotografiert, dokumentiert… und dann kam die Ernüchterung:
Ich bin mitten im Tun über die europäische Spielzeugrichtlinie DIN EN 71:1, DIN EN 71:2 und die CE-Kennzeichnungspflicht gestolpert.

Ja, das ist so unbequem wie es klingt. Richtig unangenehme Kiste.

Ich kürze ab: ich möchte nicht mit einem Bein im Gefängnis stehen (erst recht nicht mit beiden) wenn irgendwas auf irgendeinem Spielbrett nicht so ist, wie sich das die EU in ihren Vorschriften für Spielzeug so vorstellt. Einfach so Spielmaterial adaptieren und auf ein Spielbrett schrauben kann man im Privatbereich oder in Einrichtungen für Klienten machen, beim Verkaufen jedoch wird es sehr (!) kompliziert.
Mit ganz viel Aufwand könnte ich vielleicht EIN Spielbrett entwerfen, zertifizieren und reproduzieren. So eine Zertifizierung kostet dann locker einen vierstelligen Bereich. Und mal abgesehen davon ist ja Massenproduktion eben genau das, was für diesen Personenkreis NICHT passt!

Also wickelte ich das ganze wieder zurück ab: Abmeldung beim Gewerbeamt, Info ans Finanzamt, ein paar Tränchen vergossen, hingefallen, Krone gerichtet und wieder aufgestanden.

Denn: Die Idee ist geblieben. Spielbretter. Individuell gebaut für Menschen, die z.B. einen Rollstuhl nutzen. Für Menschen, die spielen wollen und deren Spielmaterial aber eine Adaption braucht um es zu bespielen.

Und deshalb nutze ich die freien Minuten, um ein Buch zu schreiben. Hier werde ich theoretisch und praktisch darauf eingehen, wie ein Spielbrett aufgebaut werden kann, damit es ein behinderter Mensch mit seinen individuellen Voraussetzungen gut und effektiv nutzen kann.
Dies wird sicher ein Prozess, der mitunter Jahre dauern wird. Ich setze mir hier bewusst keine Frist (mein Alltag ist und bleibt mit einem Kind mit Pflegegrad 5 bewegt).
Und wenn das Buch fertig geschrieben ist, muss ich einen Verlag finden (oder findet der Verlag mich? ich bin da offen ;-)!).
Aktuell steht bereits die grobe Struktur, einzelne Kapitel sind auch schon mit ersten Inhalten gefüllt. Gerade die Beschreibung der konkreten Spielelemente wird sicher noch mal viel Zeit in Anspruch nehmen, die ich mir neben der Pflege nehmen werde. Mit so einem Buch werde ich nicht reich, aber die Idee der Spielbretter für Menschen mit Behinderung kommt raus, raus in die Welt. Und Fachleute und Angehörige werden befähigt, selber so ein Brett zu entwerfen und zu bauen.

Vielleicht kommen perspektivisch oder auch parallel Workshops hinzu. Wenn Ihr zwei, drei Menschen seid, die gerne so ein Brett bauen wollen, sprecht mich an, ladet mich ein. Wir können gemeinsam überlegen wie das Spielbrett gestaltet sein muss damit es gut nutzbar ist. Ich kann Euch konkret im Bau anleiten. Nach ca. 2-3 Terminen habt Ihr dann ein bespielbares Brett.

Möglich wäre auch ein einmaliger Fachworkshop mit Einführung in den Spielbrettbau. Liebe Veranstalter, wenn Ihr so etwas anbieten möchtet, kommt gerne auf mich zu.

Eine weitere Säule ist die Beratung zum Spielen, die ja immer schon jetzt hobbymäßig stattfand. Zukünftig würde ich mich über ein kleines finanzielles Dankeschön freuen (auch das habe ich in diesem ganzen Prozess mit dem Finanzamt nun in trockenen Tüchern).

Punktuell kann ich mir vorstellen weiterhin Vorträge zum Leben mit komplexer Behinderung zu halten. In der Vergangenheit hatte ich verschiedene Schwerpunktthemen wie z.B. spielen (wen wundert’s ;-)), komplexe Behinderung, Zusammenarbeit mit Fachkräften, Alltag, Essen und trinken. Auch die Gestaltung von Unterrichtsblöcken in Universitäten oder Fachschulen ist weiterhin möglich.

Die Zukunft wird spannend, wie immer in unserem bewegten Leben.

Danke, dass Ihr schon acht Jahre hier mitlest, kommentiert, abonniert, Eure Perspektive und Lösungen einbringt. Erst durch Euch bekommt dieser Blog das Leben.
Wann immer ich die Rückmeldung bekomme dass eine der hier vorgestellten Ideen umgesetzt wurde, geht mein Herz auf.
Danke.

Fausthaltung der Hände und selbstbestimmt Musik hören: adaptierter MP3 Player

Bildbeschreibung: ein quer geteiltes Bild, ein MP3-Player: die eine Hälfte zeigt den MP3-Player vor der Anpassung, die andere danach.

Für einen Spielklienten war das Ziel, selbstbestimmt Lieblings-Musik hören zu können. Das Abspielgerät sollte mehrere Anforderungen erfüllen: es darf nicht wegrutschen und die Tasten müssen mit der Faust bedienbar sein.

Wie so oft entschied ich mich für den Fisher-Price MP3-Player, diesmal in blau.

Bildbeschreibung: ein robuster Kinder-MP3-Player mit Mikrofon auf der Linken Seite

Nun begannen die üblichen Anpassungen, zunächst einmal entfernte ich das Mikrofon. Dann klebte ich mit Klebefolienresten (erhältlich unter diesem Begriff auf gängigen Onlineplattformen sowie in Werbedruck-Läden) die bunten Drucke ab und auch das Logo, so dass das Erscheinungsbild insgesamt neutraler und altersentsprechender wurde.

Im nächsten Schritt mussten die Tasten adaptiert werden. Möglich sind dem Spielklienten Bewegungen mit der Faust nach oben und unten sowie seitlich.

Playbutton:

Mit blauem Sugru formte ich die Fläche die später gedrückt wird. Zum trocknen kann das Sugru auf Backpapier gelegt werden. Der Unterbau ist aus weißem Sugru der die gesamte Ursprungsfläche des Buttons bedeckt und sich nach oben hin vergrößert. Darauf kam dann die blaue inzwischen getrocknete Platte.

„Weiter“- Button:

Hier überlegten wir (die Mutter des Klienten und ich) eine Lösung mit Stab, so dass die Taste gut separat angesteuert werden kann. Ein Auslösen ist sowohl per seitlichem drantippen als auch drücken von oben möglich. Auch hier kam wieder Sugru zum Einsatz, das den Stab (ein alter Buntstift ;-)) in Position brachte. Oben drauf kam (zur besseren Unterscheidung in rot) ein Knubbel aus Sugru, den ich zur Sicherheit zusätzlich mit Heißkleber fixiert habe. Die Herausforderung war, dass sich die beiden Tasten nicht berühren und wirklich separat ansteuerbar sind. So scheint es aber zu funktionieren:

Bildbeschreibung: zwei vergrößerte Tasten auf einem MP3-Player
Bildbeschreibung: die zwei Tasten aus seitlicher Perspektive. Deutlich zu sehen ist die Handarbeit… nicht perfekt, aber eindeutig zweckerfüllend. Die Tasten berühren sich nicht, da der Stab seitlich ausgerichtet ist und das Sugru eine leichte Ausbuchtung hat.

Um zu wissen was die Tasten für eine Funktion haben, kamen noch Symbole drauf:

Bildbeschreibung: auf den Tasten sind jetzt Zeichen für Play (ein Dreieck und zwei senkrechte Striche) und weiter (zwei Pfeile nach rechts)

Geplant war, den MP3-Player in ein Spielbrett zu integrieren (das Spielbrett werde ich in meinem Buch vorstellen), also überlegte ich mir folgende Befestigung:

Bildbeschreibung: MP3-Player von unten. Ein Klett ist auf ein Brett geklebt, ein weiteres auf der Rückseite des Players

Der MP3-Player wird auf Stäbe geschoben. Damit er nicht vom Brett fällt, wird er zusätzlich mit Klett gesichert.

Bildbeschreibung: ein runder Holzstab auf einem Brett ist am seitlichen Rand des Tragegriffs eingepasst
Bildbeschreibung: MP3-Player von oben. Zu erkennen ist, dass die zwei Rundhölzwr an den äußeren Rändern des Tragegriffs sind.

Und hier noch die Materialliste:

– Fisher Price MP3 Player

– Klebefolienrest

– Tesa Sugru

– alter Holzstift

– zur Befestigung: Rundhölzer und etwas Klebeklett

P.S.: wenn Ihr den MP3-Player auch schon adaptiert habt, freue ich mich über neue Anregungen und Fotos. Und vielleicht können wir daraus dann auch einen Gastbeitrag machen!