Archiv für den Monat Juni 2020

Unterstützte Kommunikation nutzt auch Pflegenden

Ich muss etwas ausholen:

Judith hat viele Menschen um sich herum. Und jeder dieser Menschen bekommt einen Ausschnitt ihres Alltages mit. Ein Beispiel:

Sonntag: früh Übernahme von Pflegefachkraft (PFK) A., Übergabe an Mama (M). Tag mit Mama und Papa. Abends Übergabe an PFK B.

Montag: PFK B. übergibt an PFK C., die den Frühdienst macht. Nachmittags Übergabe an Mama, die hat noch einen Termin, übergibt an Verhinderungspflege D. D. übergibt abends an PFK B.

Dienstags: PFK B übergibt an PFK E., diese übergibt später an Papa. Mama kommt auch hinzu und fragt: „wann hatte Judith eigentlich zuletzt Stuhlgang!?“

In der Vergangenheit stellte uns diese banale Frage dann oft vor ein Rätsel. Klar, wir könnten in der Akte nachblättern. Oder alle Beteiligten fragen. Die Erfahrung zeigt, dass Infos durchrutschen können, vor allem die Frage nach dem letzten Stuhlgang oder wann das duschen mal wieder dran wäre. Und damit alle Beteiligten einen Überblick behalten, gibt es jetzt auch einen Wochenplan für die Pflege. Das Symbol ist schnell umgeklettet und alle sind informiert:

Und da sich mir auch regelmäßig die Frage stellt wann eigentlich der letzte Buttonwechsel war, habe ich das auch mit aufgeschrieben (unten rechts).

Vorlagen für den Wochenplan gibt es hier, eine Beschreibung von Judiths Wochenplan hier und ein Beispiel wie es sortiert werden kann hier.

Nachtrag April 2023: um den Plan wirklich konsequent zu führen hat es sich als sinnvoll herausgestellt, ihn ins Bett zu hängen. Erweitert wurde er um den Punkt „Kanülenwechsel“. Die Trachealkanüle wird nach Bedarf gewechselt, so wissen wir aber auf einen Blick, wann der letzte Wechsel war. Bei der Gelegenheit fällt mir auf, dass wir den Plan bei Gelegenheit mal vergrößern sollten damit alles drauf passt 😉

Bildbeschreibung: eine einlaminierte Wochenübersicht, jeder Wochentag hat eine Spalte in einer anderen Farbe. Darauf ist Klett und mehrere Symbole“, die per Klett verschoben werden können („Stuhlgang“, „duschen“, „Kanülenwechsel“)

Unterwegs die Intimsphäre besser wahren

Wer uns kennt, weiß: wir sind gerne in der Natur unterwegs, teilweise über viele Stunden. Bei aller Vorkehrung kann es trotzdem passieren, dass unterwegs Pflegemaßnahmen durchgeführt werden müssen.

Nur: da wir die Intimsphäre wahren wollen, wird es schon etwas komplizierter. Eine abgelegene Parkbank, eine versteckte Waldhütte lässt sich ja meist noch finden, auch auf ner grünen Wiese lässt sich aus Fahrrädern, Anhänger, Taschen und co. ein einigermaßen abgeschotteter Pflegeplatz bauen. Und trotzdem bleibt das Restrisiko, dass jemand genau in diesem Augenblick vorbeiläuft und -da glotzen sowieso Standard ist- Dinge sieht, die nicht gesehen werden sollen.

Ein Foto zeigt am besten wie wir das lösen konnten; mit einem großen Tuch und zwei Wäscheklammern:

DIY: Superheld-Kostüm

Superheld Verkleidung 2
Superheld Verkleidung

Fasching rückt näher und damit auch die Frage: wie verkleide ich mein behindertes Kind, das keine Schminke, keine Kopfbedeckung und am liebsten auch nichts ungewohntes am Körper mag?
Das Ergebnis für’s Jahr 2015 war dann ein Superheld-Kostüm!

Ihr braucht:

  • rotes Langarmshirt
  • rote Leggins
  • blauen Body (evtl. färben)
  • roten Stoff
  • etwas blauen Stoff
  • passende Schuhe
Detail Superheld

So geht’s:
Aus dem roten Stoff ein Herz schneiden, darauf den Anfangsbuchstaben des Namens Eures Kindes nähen.

Um den Buchstaben herum noch mit dichtem Zickzackstich eine Umrandung nähen.

Das Herz wird auf den Body genäht.

img_1875

Leider habe ich den Umhang nicht mehr, ich versuche es mal aus dem Kopf zu rekonstruieren wie der genäht wurde…

Ich habe ein T-Shirt verwendet, so dass ich den Halsausschnitt gleich als oberen Rand verwenden konnte. Da der Stoff sehr dünn war, habe ich ihn doppelt genäht. Die Form ist eben wie ein Umhang so ist. Um den Umhang an der Kleidung zu befestigen, habe ich oben an den Abschluss ein ca. 20x20cm großes Stoffstück genäht, das dann hinten in den Rücken gesteckt wurde.
Aus blauem Stoff habe ich eine „Explosion“ ausgeschnitten und darauf das Wort „Superheld“ gestickt und alles auf den Umhang genäht.

Dann muss man alles nur noch in der richtigen Reihenfolge anziehen- fertig!

Du weißt, dass Du ein Kind mit Behinderung hast, wenn… Teil 33

… wenn Dich der Werbungs-Algorithmus entsprechend einsortiert und Du Werbung für Senioren-Treppenlifte bekommst

… wenn Du am Handy „Am“ eintippst und Dir als erstes „Ambubeutel“ als Ergänzung angeboten wird

… wenn Du -weil Du oft lange in der Warteschleife hängst- bei der Warteschleifenmusik der Krankenkasse und Beatmungsfirma die zweite Stimme dazu summen kannst

… wenn Du, würden alle Wartezeiten in Warteschleifen am Telefon auf die Rentenzeiten angerechnet werden, fürs Alter ausgesorgt hättest

… wenn Du noch oft drauf reinfällst und es Dich immer noch irritiert dass Dein Kind im Teenageralter gelernt hat, ERST die Augen zuzumachen und DANN einzuschlafen, nicht mehr andersherum

… wenn der Start in den Tag so aussieht 🙈:

Du weißt, dass Du ein Kind mit Behinderung hast, wenn… Teil 32

… wenn der Kinderorthopäde Dich von hinten mit Mundschutz erkennt und freudig mit Namen begrüßt

… wenn Du (da eh nur im Rollstuhl getragen) die Schuhe Deines Kindes bedenkenlos im Bett abstellen kannst

… wenn du im Ordner „Krankenhausberichte“ eine Unterteilung nach Organen anlegst, um den Überblick zu behalten

… wenn Du die für Dein Kind nicht im Schuhladen kaufst sondern sie vom Sanitätshaus geliefert werden

… wenn Du übrig gebliebenes Natriumchlorid, das sonst verfallen wäre, noch zum würzen in der Küche verwendest

Du weisst… ja was?

Regelmäßigen Bloglesern fällt vielleicht auf, dass ich heute nicht geschrieben habe „Du weißt, dass Du ein besonderes Kind hast, wenn…“. Und nun muss ich etwas ausholen…

Der Blog ist schon ein paar Jahre alt (genau genommen fünf Jahre und zwei Monate). In dieser Zeit hat sich einiges getan, z. B. hat sich auch die Sprache und manche Ansicht gewandelt. Ich empfinde es einfach nicht mehr als zeitgemäß, Judith als „besonders“ zu bezeichnen. Sie ist meine Tochter. Und -damit verblüffen wir immer wieder- sie ist genau so richtig wie sie ist. Ehrlich. (Und natürlich nervt die Behinderung oder das, was ihre Krankheiten mit sich bringen. Darauf hätten wir gerne verzichtet. Ehrlich. Aber Judith gibt es eben nur im Gesamtpaket und da gehören die schweren Dinge auch mit dazu) Wir haben sie total gern und sehen nicht das besondere, sondern all das Schöne, das wir mit ihr erleben.

Dabei jedoch gibt es Situationen, in denen ich stutze und denke: das wär uns jetzt nicht passiert, wenn Judith keine Komplexe Behinderung oder keine chronische Krankheit mit all dem, was da dran hängt, hätte.

Einfach dieser „Hoppla-Moment“, in dem mir mal auf nachdenkliche, mal auf humorvolle Art klar wird: hier gibt es einen Unterschied.

Und diese Unterschiede möchte ich mit Euch teilen. Andere, auch erfahrene Eltern schreiben mir, dass sie viel lachen müssen wenn sie in dieser Kategorie lesen. Anderen wird vielleicht an diesen Stellen etwas klarer, was es bedeutet, wenn ein Kind noch ein paar Extras mitbringt.

Ich werde zukünftig schreiben „Du weißt, dass Du ein Kind mit Behinderung hast, wenn…“. Judith ist nicht besonders, Judith ist mein Kind. Und neben vielen Eigenschaften ist eben eine, dass sie eine Behinderung hat. Es wird sich holpriger lesen, trifft es aber etwas besser. Damit die Beiträge gut in Suchmaschinen zu finden sind, wird die „alte“ Kategorie weiterhin bestehen bleiben, außerdem ergänze ich noch mit „Hoppla-Moment“, unter diesem Hashtag werde ich auch twittern.