Schon immer hat Judith Schwierigkeiten, in einen Tag-Nacht-Rhythmus zu finden. Wir haben so ziemlich alles ausprobiert, aber die Konsequenz ist immer: sie schläft wie sie es braucht, mal bis nachmittags um fünf oder auch nur bis morgens um 4. Manchmal ist die Nacht auch schon um Mitternacht vorbei. Mal ist sie 24 Stunden wach, mal schläft sie 24 Stunden.
Die äußeren Umstände erschweren ihr eine Orientierung im Tageslauf: Tag und Nacht hat sie Leute um sich, die immer wach sind und rumwuseln (klar, nachts sind die Pflegekräfte leiser, aber trotzdem). Im Winter ist es tagsüber früh dunkel, im Sommer lange hell.
Wir sagen Judith nach dem Abendritual gute Nacht aber wenn sie einige Stunden später wieder wach wird weiß sie nicht, ob die Nacht schon vorbei ist. Sprich: ob sie noch mal schlafen kann oder ob gleich jemand mit der Waschschüssel ans Bett springt, die Vorhänge aufzieht und der Tag startet.
Klar sagen die Pflegekräfte ihr nachts „es ist noch Nacht, du kannst noch schlafen“, aber sie ist eben immer drauf angewiesen, dass einer kommt und ihr das sagt. Eine neue Pflegekraft (huhu M. 🙋♀️) hat das ebenso beobachtet aber eben auch mit Nachdruck gesagt: „wie soll Judith sich auch im Tagesablauf orientieren wenn sie nicht regelmäßig schlafen kann!?“
Wir überlegten also gemeinsam, wie wir sie befähigen können, sich selber die Information über die Tageszeit zu holen.
Die erste Idee war ein Nachtlicht das immer brennt oder ein Symbol. Beides nicht ganz praktikabel, da Judith ja auf unterschiedlichen Seiten liegt und ein Symbol oder ein bestimmtes Nachtlicht gar nicht in jeder Perspektive sieht. Außerdem braucht es verschiedene Lichtverhältnisse: im hellen Sommer würde man eine Lampe nicht sehen, im dunklen Winter das Symbol nicht.
Also war der Plan, dass sie etwas hat, das sie erfühlen kann und das immer greifbar ist. Es sollte eindeutig ertastbar aber trotzdem angenehm sein und keine Druckstellen machen oder nervig werden. In diesem Fall lief es auf ein gekürztes Kunstleder-Haargummi hinaus, das über ihren Zeigefinger geschoben wird.
Das kann sie bei Bedarf mit dem Daumen selbstständig ertasten. Damit es nicht runterrutscht, ist es mit einem Stück Gurtband an ein Uhrenarmband aus Stoff genäht (die Farben sind bewusst so bunt, damit es auffällt).
Die Armbänder von „baby-g“ finde ich für solche Zwecke perfekt. Sie sind noch recht gut über Gebraucht-Portale im Internet zu beziehen.
Wir machen das Armband abends drum und lassen sie fühlen dass nun die Nacht beginnt.
Nun kann sie sich in der Nacht jederzeit autonom über die Tageszeit informieren!
Morgens um sieben wird es abgemacht.