Archiv für den Monat Mai 2019

Weiterentwicklung/Neusortierung des Wochenplans

Schon sehr lange hat Judith einen Metacom-Wochenplan. Mittlerweile hatte sie Bedarf an einem größeren Symbol-Vokabular, so dass ich die Sammlung neu strukturierte und erweiterte. Es kamen zum Beispiel Emotionen dazu:

Um nicht den Überblick zu verlieren, bekam jedes Thema eine eigene Farbe:

Häufig verwendete Symbole werden gleich vorne abgelegt:

Von den oft benutzten Symbolen löste sich nach vier Jahren dann doch mal der Klett und ich ersetzte ihn durch Klettpunkte:

Judith kann jetzt zielsicher aus zwei Symbolen eine Tätigkeit wählen, daher gibt es auch eine Blicktafel:

Wir stellen ihr die Möglichkeiten vor und das was sie möchte, schaut sie an:

Anfang Januar war sie ja schwer erkrankt. Um ihr die Kommunikation im Krankenhaus zu erleichtern, bastelte ihre Freundin für sie Kommunikationstafeln. Hier wird nacheinander auf die verschiedenen Möglichkeiten gezeigt und das Symbol benannt. An Judiths Reaktion merken wir, was davon sie will…

Somit ist der alte Kommunikationsordner endgültig abgelöst.

Mehr UK gibts hier.

Trinken- (k)ein Kinderspiel. Ein langer Weg (2)

(Teil 1 könnt ihr im letzten Beitrag nachlesen)
Doch dann, Ende 2017…
….Wurde sie wieder einmal schwer krank, eine Komplikation reihte sich an die nächste. Insgesamt lag sie über sieben Wochen auf der Intensivstation. Froh, überhaupt irgendwann nach Hause gehen zu können, rückte das trinken kurzzeitig in den Hintergrund. Judith war zu schwach, sie bekam die Flüssigkeit über die Sonde.
Erste Trinkversuche schlugen fehl. Sie verschluckte sich sehr heftig und traute sich beim nächsten Mal nicht, noch mal zu trinken.
Nach mehreren Wochen mit geduldigen Versuchen war klar: hier gibt es jetzt ein größeres Problem. Ein Arzt sagte, wir sollen dranbleiben, das kann jetzt auch mal ein halbes Jahr dauern. Naja, und wenn es gar nicht geht, dann ist der Weg eben die Flüssigkeitsgabe über die Sonde.

Um Judiths Mund feucht zu halten und Nahrungsreste nachzuspülen, dickte ich ein Getränk in einer Schale an und gab ihr davon zu den Mahlzeiten einige Löffel. Aber das trinken wollten wir nicht aufgeben…

Also kam Frau B. in Judiths Leben, eine sehr fitte, nette Logopädin. Nach einer Kennenlernphase beschäftigte sie sich intensiv mit der Mundmotorik. Hier kam z.B. das Mundmassagegerät Wakkelpudding zum Einsatz oder Kauschläuche.
Das halbe Jahr verging, nichts tat sich. Frau B. kam weiterhin. Nach diesem halben Jahr kam noch ein erschwerender Faktor hinzu: die ketogene Diät. Das Saft-Teegemisch, das wir andickten, ging also so auch nicht mehr. Als Andickungsmittel konnten wir fortan nur noch Johannisbrotkernmehl verwenden, der Saft wurde durch keto-geeignete Getränkepulver ersetzt. Diese richtig zu dosieren und einen Geschmack zu finden der Judith zusagt, war eine weitere Herausforderung.
Anfang dieses Jahres war Judith nochmals sehr schwer krank und über zehn Tage sediert und intubiert.
Erstaunlich schnell erholte sie sich. Frau B. sah minimale Fortschritte. Sie glaubte weiter an Judith und machte einen unorthodoxen Vorschlag: Ob wir es mal mit einem Babysauger probieren wollte?? Hm…. Judith ist elf…
Naja, das Ziel hieß trinken und so kramte ich einen Sauger der noch in irgendeiner Schrankecke sein Dasein fristete wieder aus. Besser als gedacht akzeptiert Judith diese Trinkmöglichkeit. Allerdings war der Sauger für den großen Mund natürlich viel zu klein. Abhilfe brachte ein Spezialsauger für Kinder mit Gaumenspalte. Dieser war ausreichend groß und -oh Wunder- Judith trank daraus nennenswerte Mengen!


Völlig glücklich gönnten wir ihr diesen etwas merkwürdig aussehenden Sauger. Das Loch machten wir ziemlich groß, die Flüssigkeit wurde wieder mit Johannisbrotkernmehl angedickt. Zur höheren Motivation sprangen wir noch weiter über unseren Schatten und fortan gab es Zucker- und koffeinfreie Coca Cola aus der Babyflasche 🙂
Nachdem das einen Monat lang sehr gut klappte, gingen wir wieder einen Schritt weiter und versuchten es erneut mit dem Strohhalm. Um ihr den Übergang vom Sauger zum Strohhalm zu erleichtern, fiel die Wahl auf einen Silikon-Strohhalm.

An diesen stecken wir das Ventil und tatsächlich kann Judith hieraus auch sehr gut trinken!

Wow, das war jetzt ein ziemlich langer Text für einen ziemlich langen Weg.

Trinken-(k)ein Kinderspiel. Ein langer Weg (1)

Es macht uns gerade sehr glücklich, dass Judith so gut trinkt. Das war nicht immer so…
Daher möchte ich Euch heute mitnehmen auf eine Zeitreise durch elf Jahre Flüssigkeitsaufnahme. In diesen Jahren haben wir ziemlich viel herumexperimentiert, daher ist dieser Artikel auch sehr lang.

Von vorne:
Judith kam auf die Welt und an Tag 3 war klar: sie konnte zwar an der Brust saugen, aber hatte nicht genug Kraft, die Milch herauszusaugen. Sie schlief vor Erschöpfung ein, wenn sie nicht sowieso eh schon schlief. Also, Plan B: „Fingerfütterung“, und das ging so:
Milch abpumpen, vor der Mahlzeit auf Körpertemperatur erwärmen, mit einer Spritze aufziehen, Kind auf den Schoß, an kleinem Finger nuckeln lassen, Spritze mit in den Mund fädeln und wenn sie saugte, etwas Milch in den Mund geben so dass sie runtergeschluckt werden konnte. Diese Prozedur dauerte pro Mahlzeit so 1 ½ Stunden und kurz danach ging es wieder von vorne los. Judith wurde nach zwei Wochen nach Hause entlassen. Die betreuende Hebamme war Verfechterin des an der Brust-trinkens und brachte noch das Brusternährungsset ins Spiel.
Parallel standen die ersten Kinderarztbesuche an. Nach sieben Wochen Abpumperei sagte die Kinderärztin ich solle den ganzen Quatsch jetzt mal lassen und Judith ganz normal aus der Brust trinken lassen, denn „die Kinder nehmen sich schon was sie brauchen“. Ich beendete also die Abpumperei und stillte wann immer ich dachte dass Judith Hunger haben könnte. Da sie nicht schrie, war es schwierig einzuschätzen. Wenn ich sie auf dem Arm hatte und sie begann sich an meiner Schulter festzusaugen (ihr Spitzname: „unser kleiner Wels“), konnte das ein Indiz sein. Aber immer noch schlief sie oft ein und ich verbrachte gefühlt den Tag mit stillen wann immer sie mal wach war. Etwas verwundert sagte ich zur Hebamme, dass meine Brust noch so voll sei nach den Mahlzeiten aber auch hier Beruhigung „die Kinder nehmen sich schon was sie brauchen“. Naja, immerhin empfahl sie mir noch eine Stillberaterin, die jedoch auch keine weiteren hilfreichen Tricks beitragen konnte.

Mit sieben Monaten bekam Judith die erste Lungenentzündung. Zum ersten Mal nahm ein Arzt unsere Sorge, dass Judith sehr klein, leicht und auch entwicklungsverzögert sei, richtig ernst. Ich musste wieder abpumpen und mit Erschrecken stellte ich fest, dass sehr wenig Milch zusammen kam. Stillproben zeigten, dass Judith einfach zu wenig getrunken hatte… für ihr Alter war sie auch viel zu leicht.
Nun gab es Gespräche mit den Ärzten, die noch ungeklärte Entwicklungsverzögerung kam zur Sprache. Ein Gespräch hing mir besonders lange nach.
Da hier auch Profis mitlesen, schreibe ich heute mal darüber damit Ihr alle wisst, wie man es NICHT machen sollte und wie man mit wenigen Worten eine Mutter nachhaltig verstören kann…

Ärztin: „Judith zeigt ja eine Entwicklungsverzögerung.“
Ich: „Ja.“
Ärztin: „Sie waren ja schon nach der Geburt auf unserer Station und wollten unbedingt stillen. Haben sie die letzten Monate voll gestillt?“
Ich: „Ja.“
Sie: „Damals waren Sie ja Vegetarierin. Haben sie sich die ganze Stillzeit über vegetarisch ernährt?“
Ich: „Ja.“
Sie: „Na dann haben wir hier einen Ansatz woher die Entwicklungsverzögerung kommen kann. Dann fehlen ihrem Kind wichtige Nährstoffe die es für die Entwicklung hätte brauchen können. Dann müssen wir jetzt gucken wie wir das noch gut auffangen können.“

Keine Pointe.

Judith bekam eine Nasensonde (diese wird durch die Nase bis zum Magen geschoben) und darüber bekam sie Infatrini, das ist eine Sondennahrung für Säuglinge. Das Stillen könne ich mir „sparen“. Ein paar Wochen pumpte ich noch weiter ab und verabreichte die Milch zusätzlich- dann hörte ich damit auf. Unsicher, inwieweit ich „Schuld“ an all dem hatte (das Missverständnis konnte der Genetiker nur wenige Monate später übrigens restlos aufklären…).
Die Kinderärztin wiederum beäugte das Infatrini kritisch und nachdem Judith nur dick wurde (tatsächlich war sie zwar zu leicht, aber auch zu klein, im Verhältnis passte alles wunderbar!), wurde das „Infatrini-Experiment“ wieder beendet, es gab nun Säuglingsmilch mit einem Babysauger.
Parallel begannn wir mit Beikost. Auch hier gab es große Schluckschwierigkeiten und das Saugen an der Flasche erleichterte ihr das schlucken.
Mit etwa 1 ½ Jahren wechselte sie auf eine Flasche mit Sportaufsatz und das trinken daraus klappte gut. Sie begann auch, die Flasche selber zu halten.

Dann ging es mit knapp drei Jahren zur Kur. Dort bot ihr eine Logopädin einen Strohhalm an und Judith süppelte auf Anhieb das halbe Glas leer!
Also stieg sie um auf das altersgerechtere Trinken aus dem Strohhalm. Das ging im alltag überwiegend gut.
Immer wieder gab es jedoch Phasen in denen Judith schlechter trank. Das war vor allem, wenn sie krank war. Desöfteren war sie im Krankenhaus (mittlerweile in einem größeren, das mit der Behinderung und den damit zusammenhängenden Begleiterscheinungen besser umgehen konnte) und alsbald erkannte man, dass man mit einer temporären Nasensonde viele Infusionen und teilweise sogar Krankenhausaufenthalte umgehen konnte. Noch einfacher wurde es, als ich darin angeleitet wurde, die Sonde im Bedarfsfall selber zu legen. Ja, auch das kann man nach etwas Überwindung lernen!

Zwischendurch kam die Muskelhypotonie (=schlappe Mundmuskeln) voll zum tragen und das trinken aus dem Strohhalm fiel ihr schwer. Somit boten wir ihr das Strohhalmventil an, hiermit klappte es bedeutend besser.
Irgendwann wurde die Medikamentenmenge umfassender und die Entscheidung für eine PEG fiel. Diese können wir bis heute nutzen, wenn die Trinkmenge nicht ausreichend ist.
Judith trank, wenn es ihr gut ging, wie ein Weltmeister aus dem Strohhalm, trinken war ihr Hobby.

Doch dann, Ende 2017, … (weiter geht es nächste Woche!)

DIY: Der „Vier-Taschen-Kreis“

Maria (Ihr kennt ihre Kreativität schon von diesem Beitrag) schenkte Judith dieses geniale Fummel-Entdecker- Spielzeug:

Ein Kreis mit vier Taschen. Die Anleitung fand sie hier. Maria machte das Spielzeug Judith-tauglich, indem sie eine Lasche zum Aufhängen anbrachte:

Weiterhin steckte sie das Spielmaterial nicht lose hinein, sondern band es in weiser Voraussicht fest. Hierfür nutzte sie verschiedene Aufhängungen:

mit den Bändern wird das Spielzeug festgeknotet

Das Spielzeug wird mit einer Gummikordel und einem Stopper gehalten

Das Band kann mit einem Snap geöffnet werden

Und hier noch ein Bild vom Spielzeug in Aktion:

Danke, Maria!