Archiv für den Monat April 2017

integrativer Kindergottesdienst

In meinem letzten Beitrag berichtete ich vom barrierefreien Zugang zum Kindergottesdienst. Diesmal möchte ich Euch das Konzept (basiert auf den Prinzipien der Montessori-Pädagogik) des Kindergottesdienstes vorstellen, so wird nachvollziehbar, warum Judith so gut teilhaben kann.

Godly Play deutsch e.V. - Willkommen zu Godly Play!„Das Konzept, nach dem unser Kindergottesdienst arbeitet heißt „Godly Play“.
Godly Play / Gott im Spiel liegen zwei Überzeugungen zugrunde: Theologisch: Gott will sich im Leben eines jeden Menschen erfahrbar machen. Pädagogisch: Das Kind ist der Baumeister seines Lebens und Lernens (mit den Worten Maria Montessoris: „Hilf mir, es selbst zu tun!“). Auf der Basis dieser zwei Voraussetzungen ermutigt Godly Play Kinder zum Theologisieren und traut ihnen zu, Gott spielend und hörend, feiernd und gestaltend, staunend und redend zu begegnen.“ (Quelle: http://godlyplay.de/index.php/was-ist-godly-play).

Godly Play/ Gott im Spiel wurde für Kinder im Alter von 2-12 Jahren entwickelt, aber auch in anderen Altersgruppen/ Kontexten ist es anwendbar. Es gibt neben vielen gemeinsamen Materialien auch spezielle für konfessionsspezifische Feste und Bräuche so dass es nicht an eine bestimmte Konfession gebunden ist.

Ich versuche einmal frei heraus zu beschreiben, was im Kindergottesdienst passiert:

  • Los geht es beim Betreten der Kirche. Jedes Kind bekommt am Eingang eine einlaminierte Einladungskarte. Diese wird am Eingang zum Kindergottesdienstraum wieder abgegeben. Hier wird jedes Kind willkommen geheißen.
  • Alle ziehen ihre Schuhe aus und setzen sich auf den Teppich in einen Kreis. Jedes Kind wird mit Namen begrüßt so dass jeder weiß, wer neben einem sitzt. Die große Kirchenjahresuhr an der Wand wird aktualisiert und es wird kurz erklärt, wo wir uns im Kirchenjahr befinden. Die Kinder werden gefragt, ob sie bereit für eine Geschichte sind.
Foto: Bertram Kober, © Godly Play deutsch e.V.
  • Der Erzähler geht zu einem der Regale und holt eine Geschichte heraus. Diese wird nun erzählt. Die Materialien und Erzählungen sind schlicht gehalten und können so von Klein und Groß mit verschiedenen kognitiven Voraussetzungen erfasst werden. Sie lassen viel Freiraum für eigene Interpretation.
Foto: Bertram Kober, © Godly Play deutsch e.V.
  • nach der Geschichte gibt es meist drei vertiefende Fragen die zum Weiterdenken anregen, z.B. „Was hat Euch am meisten an der Geschichte gefallen? Wo erkennt Ihr Euch wieder/wo erzählt die Geschichte von Euch? Könnte man etwas weglassen und es wäre trotzdem noch alles erzählt?“
  • Nach der Gesprächsrunde wird dann entweder ein Fest gefeiert oder die Kinder können frei spielen.
    – Das „Fest“ ist ans Abendmahl angelehnt. Jedes Kind bekommt einen Untersetzer, einen Keks und einen Becher mit Apfelsaft. Ein Stein wird rumgegeben und wer mag, kann ein Gebet sprechen. Danach wird zusammen gegessen und getrunken.
  • Foto: Bertram Kober, © Godly Play deutsch e.V.

    – Beim freien Spiel können sich die Kinder selber aussuchen was sie spielen wollen und das Gehörte vertiefen: z.B. eine Geschichte oder ein Buch aus dem Regal nehmen, etwas malen oder etwas aus Ton gestalten, mit der Sandkiste spielen oder Rollenspiele durchführen: in unserem Kindergottesdienstraum gibt es z.B. auch einen kleinen Altar und eine Kanzel und die Kinder spielen öfter mal Gottesdienst/ Abendmahl.

Foto: Bertram Kober, © Godly Play deutsch e.V.

Aus mehreren Gründen halte ich dieses Konzept besonders geeignet für die integrative/ inklusive Arbeit:

  • Der Ablauf ist immer gleich, das gibt Sicherheit
  • die Geschichten werden ruhig und reizarm dargeboten, die Zuhörer können gut folgen, jeder kann sich im Rahmen seiner Möglichkeiten weiterführende Gedanken machen
  • insgesamt herrscht ein sehr achtsamer Umgang mit den Kindern
  • im freien Spiel kann jedes Kind nach seinen Bedürfnissen spielen, sich das Spiel wählen, das seinen Interessen entspricht

Wer mehr über Godly Play/ Gott im Spiel erfahren möchte, kann sich auf Youtube ein Video ansehen oder auf Godlyplay.de weitere Infos erhalten. Hier findet Ihr auf ca. 13 Seiten grundlegende Informationen zum Konzept.

Mitreden: barrierefreier Zugang zum Kindergottesdienst

Mit meinem Beitrag zum barriereärmeren Spielplatz startete ich diese kleine Reihe in der es darum geht wie man durch Aufmerksam-machen die Welt ein kleines bisschen barrierefreier machen kann.
Heute folgt ein Beispiel aus dem Innenbereich.

Judith ist ja ziemlich oft in der Kirchengemeinde zum Kindergottesdienst. Der Raum ist hinter dem Altarbereich. Der Altarraum wiederum ist nur über zwei Stufen erreichbar. In der ersten Zeit konnten wir sie noch gut die zwei Stufen hochheben, mit zunehmendem Gewicht wurde das jedoch schwerer. Ich schrieb dem Kirchenvorstand einfach mal eine Email mit der Frage, ob es möglich wäre, diese Barriere abzubauen.

Mit meiner kleinen Anfrage rannte ich offene Türen ein!

Schon länger war das eine Idee, schließlich wurde ja auch vor nicht allzulanger Zeit auch der Außenzugang durch eine lange Rampe für Rollstuhlfahrer zugänglich gemacht (das war auch  der Hauptgrund, uns in diese Gemeinde umgemeinden zu lassen!). Sie waren sehr dankbar für den konkreten Anlass, nun aktiv zu werden und erbaten sich unsere Beratung. So trafen wir uns mal in der Kirche und probierten mit den Rampen die wir zu diesem Zeitpunkt für unser Auto nutzten verschiedene Anlegevarianten durch.

Schließlich war der optimale Platz gefunden und auch im Bauausschuss entwickelte man eine Idee, wie dies praktisch umzusetzen sei (enge Platzverhältnisse, es brauchte eine Anlage-Möglichkeit und die Idee des Podestes war geboren). Wir entschieden uns für das Modell „Wheelramp“.

Die Rampe wurde gekauft und ein Podest das den Raumverhältnissen gerecht wird wurde ebenfalls gebaut.

barrierefreier Zugang zum Kindergottesdienst über die Wheelramp und ein angelegtes Podest
Nun konnte Judith barrierefrei zum Kindergottesdienst kommen! Da der Altarraum auch für das Abendmahl genutzt wird, wird die Rampe nicht nur von ihr genutzt sondern auch von allen anderen Rollstuhlfahrern, die zum Gottesdienst kommen.

Damit auch Fußgänger über das Podest auf der anderen Seite herunterkommen, wurden Stufen auf der anderen Seite angebaut (wobei es immer wieder schön zu beobachten ist, wie viele Fußgänger auch die Rampe zum herunterlaufen nutzen 😉 :

Wenn es vom Kindergottesdienst zurück ging, waren ebenfalls zwei Stufen zu überwinden, diesmal an einer anderen Stelle…

Im Rahmen von „Tausendundeine Rampe“ bewarb sich die Kirchengemeinde um eine zweite Rampe und wurde ausgewählt!!

Nun kommt Judith auch bequem vom Kindergottesdienst wieder zurück. Herzlichen Dank an dieser Stelle an die Sozialhelden (http://sozialhelden.de/blog/projekte/tausendundeine-rampe-fuer-deutschland/) und unseren Kirchenvorstand!

 

Therapiedreirad: Alternative zur Handfixierung

Nach langem Ringen mit der Krankenkasse wurde das Therapiedreirad bewilligt. Juchu!

Mitgeliefert wurden sogenannte Handfixierungen (ein Photo findet man in diesem Dokument), die auch scheinbar nötig war. Judith hatte null Motivation, den Lenker festzuhalten. Die Hand rutschte einfach immer wieder ab. Da Judith gerne fühlt und interessante Oberflächen eine große Anziehungskraft ausüben, entwickelte ich „Plan B“: für wenige Euro wurden im nächsten Fahrradladen einfache Kinderfahrradgriffe gekauft! Diese haben durch die aufgesetzten Smileys eine Struktur und das neongrün ist zudem optisch viel ansprechender als die vorherigen schwarzen Griffe. 

Und siehe da: mein Kind hält freiwillig den Lenker fest 🙂

Weitere Ideen für den Spieltisch

Der umgebaute Rollitisch ist bei Judith (und anderen Kindern um sie herum) hoch im Kurs. Mittlerweile kam neues Spielzeug dazu, anderes wurde wieder abgewählt… hier mal Photos der neuesten Änderungen:


Moosgummi-Fühlaufkleber (MäcGeiz), ein Silikon-Armband mit Buchstaben (H&M) sowie ein Ball, der bei kleinster Erschütterung blinkt und leuchtet (Spielzeugladen). 


Weiterhin:

Aufgeklebter Kunstrasen. Darauf: eine kleine Dose (unten Haken-Klebe-Klett), darin: Lockenwickler (kleben super auf Kunstrasen)